Synopsis: DV HEISST DZIGA VERTOV steht über einer Serie von drei installativen Arbeiten, deren Verwandschaft in der Benutzung von zwei appropriierten Filmausschnitten liegt (s.u.).
Die Beziehung zwischen den beiden Clips wurde in drei räumlichen „Experimenten“ untersucht; im Vordergrund stand dabei der Kontrast zwischen unterschiedlichen Auffassungen von „Animation“ im Sinne einer künstlichen Bilderzeugung. In der ersten Version wurden die Clips via selbstgebauter Projektoren präsentiert, deren „D.I.Y“-Optik einen inhaltlichen Kommentar zur Nutzung von High-Tech in Kunstausstellungen und bei der Bilderzeugung darstellte:
„In DV HEISST DZIGA VERTOV [und nicht: Digital Video] wird, stark uneigentlich machend, mittels Overhead-Projektor beziehungsweise Tageslichtprojektor in einem Vergleich zweier appropriierter Filmstücke eine Ebene des Kommentars zur Geschichte der Animation, insbesondere ihrer Effekte geschaffen.
Zum einen sind Szenen aus Vertovs berühmtem Man with a Movie Camera (1929) zu sehen, in denen, für damalige an einer mimetischen Definition von Realismus orientierte Erwartungen provozierend, die Stop-Motion-Bewegungen einer anthropomorphisierten Kamera mit Stativbeinen gegen die eines „imaginierten“, amüsierten Publikums geschnitten sind.
Dem steht in der installativen Fassung ein Ausschnitt aus dem tricktechnischen 'Making of' des Blockbusters Matrix (Andy und Larry Wachowski, 1999) gegenüber: die 360°-Flüge, die durch Digital Compositing aus den Bildern einer gigantischen Menge miteinander verschalteter Kameras die Sicherheit der Vertov’schen Raumaneignung nicht einfach aktualisieren, sondern in der hier angedeuteten Traditionslinie in all ihrer Ferne von alltäglicher Erfahrung vollkommen antirealistisch erscheinen.
Vertovs dialektisch organisierte Kino-Wahrheit wurde nicht nur durch Leacocks cinéma vérité-Definition unmanipulierter Kameraeinsätze abgelöst; hier wird die Möglichkeit suggeriert, heutige filmindustrielle Produktionsstandards mit historischen Realismen zu vergleichen. (…) Gerade [diese Arbeit] verlangt allerdings auch stärker als die anderen nach seinem installativen Zusammenhang.“
(Aus: Clemens Krümmel, „Film und Zeichnung auf einem Tape von Florian Zeyfang“, in: Fokussy. Florian Zeyfang, Berlin 2004)
In einem zweiten, komplett unterschiedlichen Aufbau wurden die beiden Videos sprichwörlich miteinander „verschränkt“: Jeweils aus einem Winkel von 45 Grad auf eine gewellte Oberfläche projiziert sah man von jeder Seite einen der Videos, von vorne jedoch überlagerten sich die beiden Bilder in perfekter Weise. Die DV HEISST DZIGA VERTOV (L.A. nd version) zugrunde liegende Installation wurde mit Lisa Schmidt-Colinet und Alex Schmoeger entwickelt. Die hintereinander geschichteten lagen von gewelltem Material entsprechen in Größe und Form den vier Buchstaben, die das berühmte HOLLYWOOD-Schild in Los Angeles früher ergänzt hatten: HOLLYWOOD LAND war ursprünglich Werbung für einen Grundstücksmakler.
In der dritten Variante, gezeigt in Norwich / England, wurden die beiden Videos „inszeniert“. FOKUSSY: DV HEISST DZIGA VERTOV präsentiert die Ausschnitte auf einer „konstruktivistischen“ Bühne, getrennt in die verschiedenen Medien TV und Projektion: denn ist nicht Fernsehen eine „Rejektion“, nach Godard? Einen weiteren Hinweis liefert der Titel: Bei Vertov bezeichnen Fokussy technische Tricks im Film, Zeitlupe, Überblendung, rasche Schnittfolge und andere handwerkliche Schnittmanipulationen.
Vertovs zeitgenössische Kritiker warfen ihm vor, diese Tricktechnik zu verwenden, und erwähnten dabei im Besonderen den Film Der Mann mit der Kamera. Dieser Kritik stehen Vertovs Verteidigung seiner Fokussy gegenüber, wie auch die Beurteilung seiner Filme durch Historiker späterer Zeiten. Für sie stellt die Verwendung der Fokussy in erwähntem Film die Enthüllung des Filmwerks als Illusionsproduktion dar. Vertovs Vorgehensweise entspricht damit dem Anspruch der von ihm gegründeten Kinoki(Kinoauge)-Bewegung: dem Kampf gegen den (Hollywood-)Illusionismus mit den Mitteln der Montage.